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Albrechts Schwester Anna und treue Freunde konnten ihm durch seine mutige Haushälterin
Lebensmittel und auch Wäsche nach Ravensbrück zukommen lassen, und in Wäschesäume
eingenäht ging manche kleine persönliche Nachricht hin und her.
Im Nov. 1944 wurde Albrecht nach Berlin zurückgebracht und kam in das Moabiter Gefängnis
in der Lehrterstraße. Hier verbrachte er die letzten Monate seines Lebens. Hier konnten ihn hin
und wieder seine beiden Schwestern und auch die Gräfin Reventlow besuchen. Hier scheint
Albrecht nicht mehr gequält worden zu sein. Seine Vernehmungen waren beendet, und er
erwartete die Anklage vor dem Volksgerichtshof. Diese sollte sich gegen ihn, Frau Solf und
andere richten. Ihm wurde hauptsächlich eine angebliche Zusammenarbeit mit dem
Reichsminister a.D. Wirth in der Schweiz, um dort eine Exilregierung zu bilden, vorgeworfen,
aber auch die Verbindung zu Geßler, Zugehörigkeit zum sogenannten Solf-Kreis und überhaupt
eine feindliche Einstellung gegen das Regime, Fühlung mit dem Ausland u. dgl., Albrecht sah
gefaßt dem, was kommen sollte, entgegen.
Mit zunehmenden Bombenangriffen auf Berlin wurde die Bewachung lockerer, anderseits
hatten die Gefangenen natürlich Sorge, daß die politischen Gefangenen noch vor dem
nahenden Ende summarisch umgebracht werden würden. Schließ-lich zog das Gestapo-
Bewachungskommando ab und übergab die Gefangenen der ordentlichen
Gefängnisverwaltung, die diesen innerhalb der Anstalt völlige Freiheit ließ. Am 23. April 1945
abends gingen Albrecht und sein Freund Winterfeldt in den Gefängnisflügeln der politischen
Gefangenen umher und beobachteten das leb-hafte, nicht mehr sehr entfernte kriegerische
Geschehen draußen. Gegen 22 Uhr trennten sie sich und gingen in ihre Schlafzellen im Keller.
Am nächsten Morgen erfuhr Winterfeldt, daß Albrecht gegen Mitternacht mit zwei anderen
politischen Gefangenen zum angeblichen Abtransport abgeholt worden sei. Man hat nie wieder
eine Spur von ihm gesehen. Mitgefangene haben erzählt, Albrecht habe im Augenblick des
Aufrufs gewußt, daß der Abtransport in den Tod führte. Er wollte Ring und Uhr an
Zellengenossen übergeben. Diese wollten davon aber nichts wissen, weil sie meinten, daß sie
ja jetzt doch alle herauskämen.
Nur eineinhalb Tage länger hätte Albrecht leben müssen, um gerettet zu werden. Denn am
Nachmittag des 25. April wurden Winterfeldt und die anderen Gefangenen befreit. Vor einem
allerdings blieb Albrecht bewahrt, nämlich vor der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof, die
dessen Präsident Freisler selber hatte führen wollen; er hatte Albrechts Verteidiger Justizrat Dix
auf Anfrage mitgeteilt, daß er sich "das Vergnügen nicht nehmen lassen würde", den Prozeß
selber zu führen. Das Vergnügen wurde ihm aber schon vor Albrechts Tod dadurch genommen,
daß eine Bombe den Luftschutzkeller des Volksgerichtshofs traf, wobei Freisler schwer
verwundet wurde. Er wurde in das benachbarte Elisabeth-Krankenhaus gebracht, wo die
Empfangsschwester - es war Albrechts Schwester Anna! - ihn zu ihren Füßen sterben sah.
Albrechts Tod erregte bei seinen Freunden in Deutschland und auch im Ausland tiefe
Erschütterung. In Deutschland blieb wegen des völligen Zusammenbruchs und der
unübersehbaren Zahl der