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8 Jahre hat Johann Heinrich dem 1.Garde-Feldartillerie-Regiment in Berlin angehört. In diesen
8 Berliner Jahren hat er alle Gelegenheiten benutzt, in den verschiedensten Kreisen der
Berliner Gesellschaft zu verkehren. Als Gardeoffizier standen ihm alle Türen offen. Er
beschränkte sich nicht auf die Hofgesellschaft, wo er zu den sogen. Donnerstag-Abenden der
Kaiserin Augusta (der Gemahlin Wilhelm I.) und zu dem Salon der Fürstin Marie Radziwill
Zugang hatte, sondern verkehrte auch insbesondere in Künstlerkreisen, vor allem im Hause der
als Urbild der Isolde berühmten Frau Mathilde Wesendonck, die in Berlin glänzende
Abendempfänge gab, die hauptsächlich dem Kult Wagnerscher Werke gewidmet waren. Im
Hause Wesendonck fand er auch seine Lebensgefährtin Jeanne Lucke-meyer, die am 13. Dez.
1867 in New York geborene Tochter des aus einer Krefelder Kaufmannsfamilie stammenden
Großkaufmanns Eduard Luckemeyer in New York, die eine Nichte von Mathilde Wesendonck
war. Johann Heinrich heiratete sie in Berlin am 14. Nov. 1887, seinem 25. Geburtstag.
Johann Heinrich fühlte sich dem Kronprinzen, späteren Kaiser Friedrich III., sehr verbunden.
Dieser hatte mit seiner Gemahlin, die ja eine Tochter der Königin Viktoria von England war,
öfters bei Besuchen in England in der deutschen Botschaft gewohnt, weil die Königin eine
"heilige Scheu" davor hatte, daß ihr Schwiegersohn in einem ihrer Schlösser seine Pfeife
rauchen könnte. Vater Albrecht hatte ja auch, wie wir sahen, die für die Verlobung und
Eheschließung des kronprinzlichen Paares erforderlichen Verhandlungen geführt, und seine
Freund schaft war der Familie erhalten geblieben. Auch Johann Heinrich hatte sich, wie er in
seinen Erinnerungen schreibt, mancher Gnade von dieser Seite zu erfreuen. Und als Kaiser
Wilhelm II. ihn einmal einem Herrn vorstellte, tat er das mit dem Zusatz: "Sein Vater war ein
Freund meines Vaters". Johann Heinrich rechnete die Kronprinzessin, spätere Kaiserin
Friedrich, neben Cosima Wagner zu den bedeutendsten Frauen, denen er in seinem Leben
begegnete.
In seiner Berliner Offizierszeit ist er mit der Kronprinzessin und ihren Töchtern auf dem "Neuen
See" im Tiergarten Schlittschuh gelaufen, wo auch der Kronprinz manchmal erschien. Auch
den alten Kaiser Wilhelm I. hat er noch aus der Nähe gekannt. Dieser pflegte zur Kur nach Bad
Gastein zu fahren, und dort wurden, um den 86-jährigen alten Herrn zu unterhalten,
Liebhabertheater-Aufführungen veran-staltet, zu denen auch Johann Heinrich einmal einige
Wochen von Graf Lehn-dorff-Steinort in dessen Villa nach Gastein eingeladen wurde. Das Wort
„Jeder Zoll ein König" paßte nach Johann Heinrichs Urteil auf Wilhelm I. wie auf keinen
anderen Monarchen, und den alten Kaiser und seinen großen Reichskanzler noch gekannt zu
haben, rechnete er später zu seinen schönsten Erinnerungen.
Unter dem Eindruck seines Eheglücks und des schnellen Szenenwechsels des Jahres 1888,
d.h. des Todes Kaiser Wilhelm I. und 3 Monate später Kaiser Friedrichs, hatte Johann Heinrich
sich, wie er schreibt, an den Gedanken gewöhnt, Soldat zu bleiben und die Kriegsakademie zu
besuchen. Da aber wurde er zum 1. Okt. 1889 nach Konstantinopel als Militärattaché
kommandiert.