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wärtige Amt habe zwar konsequent versucht, die Fehler zu vermeiden, habe sich aber
gegenüber der Führung von Heer und Marine nicht durchsetzen können. Die Diplomaten seien
ausgeschaltet worden, wenn sie nicht Order parierten.
Johann Heinrich ging nun also im Herbst 1917 nach Konstantinopel. Er fand dort in allen
führenden Persönlichkeiten treue Verbündete Deutschlands vor. Denn die Türken hatten
erkannt, daß sie verloren seien, wenn Deutschland ihnen nicht zu einem leidlichen Frieden
verhelfen könne. Auf Versprechungen der Alliierten konnten und wollten sie sich nicht
verlassen. Denn für Rußland war die Eroberung Konstantinopels der eigentliche Kriegszweck.
Für Johann Heinrich handelte es sich in seiner Arbeit als Botschafter darum, die Bemühungen
des Staatssekretärs v. Kühlmann, einen erträglichen Frieden herbei-zuführen, nach Kräften zu
fördern. Seine eigene Tätigkeit galt hauptsächlich der Entwicklung und Stärkung der Türkei,
damit sie den Feinden Widerstand leisten konnte und damit gleichzeitig der Wiederaufbau von
Land und Volk nach dem Kriege vorbereitet würde. Neben diesen Fragen bezeichnet Johann
Heinrich hauptsächlich die arabische, bulgarische, jüdische und die Kaukasusfrage als
schwierige Probleme der damaligen Türkei. Für Deutschland besonders bedrück-end war die
grausame Verfolgung der Armenier durch die Türken. Natürlich hat Johann Heinrich die Türken
immer wieder darauf angesprochen und ihnen zugesetzt, aber letzten Endes war wegen der
Abhängigkeit von ihnen als Bundes-genossen nichts zu erreichen.
Johann Heinrich hatte sich, als er nach Konstantinopel kam, zunächst, da die Botschaft noch
nicht eingerichtet war, in die Sommerbotschaft in dem am oberen Bosporus gelegenen
Therapia begeben. Er schreibt begeistert von der idyllischen Ruhe des märchenhaft schönen
Botschaftsparks. Wenige Wochen nach seiner Ankunft kam auch der Kaiser zum Besuch des
Sultans nach Konstantinopel und war Gast in der inzwischen schleunigst eingerichteten
deutschen Botschaft. Der Kaiser war tief beeindruckt von der wunderbaren Schönheit des
Blicks vom Balkon der Botschaft, und Johann Heinrich schreibt: "Wer einmal abends dort
gestanden hat, wird niemals das unvergleichliche Panorama der herrlichsten Stadt der Welt
aus dem Gedächtnis verlieren. Die untergehende Sonne hatte den Bosporus und das
Marmarameer mit einem rötlichen Schimmer übergossen, aus dem die weißen Paläste und
Minaretts an den Ufern emporragten, und aus der Ferne grüßte uns der sagenumwobene
Olymp in feuriger Glut über die Prinzeninseln, die Perlen des Marmarameeres, hinweg." Der
Kaiser sagte zu Johann Heinrich, daß keine andere deutsche Botschaft Ähnliches bieten
könne, und meinte in seiner Begeisterung scherzend, daß er wohl mit Johann Heinrich
tauschen möchte.
Nur 1 Jahr dauerte Johann Heinrichs Botschafterzeit in Konstantinopel. In den letzten Tagen
des Krieges, am 3. Okt. 1918, wurde er fernschriftlich aus Berlin gefragt, ob er als Nachfolger
des zurückgetretenen Staatssekretärs v. Hintze Staats-sekretär des Äußeren (d.h.
Reichsaußenminister) werden wolle. Als er zunächst wissen wollte, unter welchem
Reichskanzler er arbeiten und welche Politik befolgt werden solle, erhielt er am nächsten Tage
die Antwort, daß Prinz Max von Baden Reichskanzler und der Botschafter Solff Staatssekretär
werde. So wurde Johann Heinrich zwar nicht Staatssekretär des Äußeren, aber wenige Tage