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Andreas Gottlieb schrieb aufs Genaueste vor, wie die Wirtschaft geführt und Geld und
Gut verwaltet werden sollten. Er legte den Besitzern ans Herz, nicht auf eigenen
augenblicklichen Vorteil zu sehen, sondern an die Zukunft und das Beste der
Nachkommen zu denken. Er stellte strenge Bestimmungen auf gegen land- und
forstwirtschaftliche Raubwirtschaft und gab genaue Regeln über Hypothekenanleihen
sowie möglichst schnelle und präzise Abtragung jeglicher Schuld. Überschüsse sollten
zur Abrundung der Güter durch neue Ankäufe, zur Verbesserung des Betriebes oder
zu Neubauten verwendet werden. Ein bestimmtes Kapital sollte als Reservefonds und
Nothilfe für Mißjahre und anderes Unglück zurückgelegt werden.
Zwei Inspectores Familiae sollten über Leben und Treiben jedes Besitzers wachen und
das Recht haben zu ermahnen und zu beraten, ja wenn der Besitzer ein lasterhaftes
Leben führte oder die Güter zugrunde richtete, Strafen zu verhängen und zur
Unmündigkeitserklärung zu schreiten, in gewissen Fällen sogar das Fideikommiß dem
nächsten Erben zu übertragen. Jedes Mitglied des Geschlechtes sollte womöglich in
guter Kondition erhalten werden, und die Fideikommißbesitzer hatten jederzeit für sie
zu sorgen und sollten "der Familie feste Säulen sein".
Das Blühen des Geschlechtes sollte auf jede Weise gefördert werden. Nicht jeder
Mann sollte heiraten, sondern nur diejenigen, welche die Mittel dazu besässen, und
deren körperliche und geistige Eigenschaften der Fortpflanzung wert wären, dagegen
keine schwachen unmoralischen Individuen. Andererseits sollte aber auch keiner, der
diese Bedingungen erfüllte, die Eingehung der Ehe unterlassen, besonders wenn die
Zahl der männlichen Familienmitglieder gering wäre.
Für die Auswahl der Ehefrauen und die Erziehung der Jugend hat Andreas Gottlieb
umfassende Anweisungen gegeben.
Bei der Heirat, sagt Andreas Gottlieb in Art. 11 des "Fidei Commissurn Familiae" vom
9.10.1720, sollten seine Nachkommen nicht zu sehr auf den Brautschatz sehen, wenn
nicht eine besondere Not sie dazu dränge. Denn die Erfahrung lehre, daß ein großer
Brautschatz nicht immer zur Verbesserung der Güter und zur Hebung des Ansehens
der Familie diene, sondern zuweilen sogar, zumal wenn die Gelder verbraucht seien
und zurückerstattet werden müßten, daraus Schaden erwachse. Wenn aber die
Frauen etwas mitbrächten, so sollten die Ehemänner das Frauengut, es sei viel oder
wenig, nicht angreifen, sondern es vermehren oder doch wenigstens aufs fleißigste
und sorgfältigste zu bewahren suchen. Wenn sich allerdings bei einer Frau von gutem
Herkommen “dota animi et corporis" und zugleich "bona fortunae” fänden, so wäre es
umso besser.
Aber allein um Geld und gar um mittelmäßiger Summen willen Frauen zu heiraten,
gegen die Bedenken bestehen, sei um so unvernünftiger, als eine Frau durch ihre gute
oder schlechte Wirtschaft und Lebensführung in wenigen Jahren weit mehr Vorteile
oder Schaden bringen könne, als solche Gelder wert sind, ganz zu schweigen von der
nicht gutzumachenden Vorbelastung der Nachkommen durch eine an Liebe, Verstand
und Gemüt mangelhafte Mutter.