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bringe sich jetzt ein großer Teil der Welt um die Gesundheit und alle Leibeskräfte, ja
um Witz und Verstand. Seine Nachkommen sollten nicht an solche Laster und deren
Folgen verfallen, und wenn er sie durch seine väterlichen Vermahnungen vor solchen
schäd- und schändlichen Dingen, die alle diejenigen, die sich ihnen ergeben, ins
Verderben stürzen, bewahren könnte, so glaubt er, schon dadurch ihnen mehr als eine
reiche Erbschaft hinterlassen zu haben.
Nach seinem Willen soll bei der Erziehung der Jugend von Anfang an mit dafür gesorgt
werden, daß sie und sonderlich die künftigen Besitzer der Fideikommißgüter sich nicht
in solchem Maße an die Jagd gewöhnen, daß sie gleichsam ein Handwerk daraus
machen und glauben, nichts anderes in der Welt zu tun zu haben, als zu jagen. Die
Jagd sei an sich "ein nobles Exercitium zur Gesundheit und Übung des Leibes und zur
recreation von anderer Arbeit", wenn sie mit Maßen betrieben werde. Ein Edelmann
auf dem Lande würde auch Mühe haben, seine Zeit immer hinzubringen, wenn er nicht
zuweilen die Jagd zu Hülfe nähme. Aber sich dieser Passionso zu ergeben, daß man
meine, des Jagens halber in der Welt zu sein, und nichts anderes wisse noch lerne, als
hinter einem Tier herzurennen und damit alle oder die beste Zeit des Lebens
hinzubringen, sei gar nicht löblich, sondern ein Werk "von allerhand bösen affecten",
welches die Leute von aller anderen Arbeit, ja von anderen Gedanken abzuziehen, sie
zu einem brutalen und unordentlichen Leben zu fuhren und zu allen anderen Dingen
ungeschickt zu machen pflege. Andreas Gottlieb weist als abschreckendes Beispiel auf
die früheren Bülows zu Gartow hin, die sich guten Teils damit ruiniert hätten, daß sie
an nichts als an das Jagen gedacht hätten.
Andererseits betont Andreas Gottlieb ausdrücklich, daß seine Nachkommen auf ihren
Jagdgerechtigkeiten sorgfältig bestehen und sich darin keinen Eintrag tun lassen
sollten. Sie sollten aber auch andere in ihren Rechten in keiner Weise beeinträchtigen.
Denn abgesehen davon, daß solches gegen die allgemeine Regel des "quod tibi non
vis fieri" verstoße, ziehe es unfehlbar viele Händel und Verdrießlichkeiten nach sich.
Insbesondere solle man sich vernünftigerweise davor hüten, großen Herren in ihre
Rechte einzugreifen, zumal es "eine schlechte und sehr törichte Lust sein wollte,
selbigen ein Stück Wild wegzufischen und dann hernach solches mit vieler
Ungelegenheit 10 und 20-fach bezahlen zu müssen."
Diese von hohem sittlichem Verantwortungsgefühl und tiefer Religiosität, aber auch
von weiser Kenntnis der Menschen und des Laufs der Welt geprägten Grundsätze
Andreas Gottliebs haben bis in unser Jahrhundert hinein nicht nur in Gartow, sondern
auch in der weiteren Familie weitgehende und ehrfürchtige Beachtung genossen. So
sind die Söhne des Hauses Wedendorf noch in den ersten Jahrzehnten dieses
Jahrhunderts mit 12 Jahren aus der Erziehung durch Hauslehrer bzw. -lehrerinnen
herausgenommen und aufs Gymnasium gegeben worden, aber nicht in eine große
Stadt oder Residenz, sondern in das kleine Städtchen Doberan. Und in Gartow durfte
noch Generationen lang nicht geraucht werden. Wenn bei Geselligkeiten Herren
durchaus rauchen wollten, mußten sie, wie mein Vater mir berichtet hat, die Räume
über dem Archiv aufsuchen.