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"Als einfacher Landedelmann war Bernstorff ins Leben getreten; als seine politische
Laufbahn zu Ende war, trug er nicht nur die Titel, zu denen ihn seine hohen Stellungen
als ‘großbritannischer Rat, braunschweig-lüneburgischer Premierminister und
Geheimrat’ berechtigten, sondern seit 1715 war er auch Reichsfreiherr. Höher hinauf
wollte er nicht. Es kam ihm nicht auf den Schein äußerer, Neid erregender Ehre,
sondern auf sichere Machtstellung an. Der Kaiser hatte ihm zuerst die Würde eines
Reichsgrafen angeboten; aber darauf wollte er sich nicht einlassen."
"Freiherrenrang und mehr Landbesitz, als irgend ein anderes niedersächsisches
Geschlecht besaß, konnte Bernstorff den Seinen hinterlassen; und dabei waren die
Güter in Bezug auf Kultur und Oekonomie in einem so blühenden Zustande, wie man
es sonst in Norddeutschland noch nicht kannte."
Für die Familie bedeutet Andreas Gottlieb aber noch mehr als alles dies. Er hat die
Familie nicht nur herausgeführt aus dem engen Gesichtskreis eines Grundbesitzers
auf einer kleinen mecklenburgischen Ritterhufe und sie hinaufgeführt in den Hang
einer über die Landesgrenzen hinaus reichenden Geltung, sondern er hat es auch
verstanden, der Familie eine solide wirtschaftliche Grundlage für die Zukunft zu
schaffen, ohne die es kaum denkbar wäre, daß in den folgenden Generationen sich
immer wieder Nachkommen seines Geschlechts zu europäischer, ja Weltgeltung
erhoben. Zwar hat das Vierteljahrtausend,das seit der Gründung der
Familienfideikommisse und der Beneficienstiftung vergangen ist, der Familie einen Teil
des Grundbesitzes entrissen und den Wert der Beneficienstiftung dezimiert. Noch
immer aber ist in Gestalt von Gartow und Wotersen ein ansehnlicher Teil des von
Andreas Gottlieb der Familie zugebrachten Grundbesitzes vorhanden, und selbst die
Beneficienstiftung ist, durch die beiden Geldentwertungen unseres Jahrhunderts zwar
zusammengeschmolzen, aber durch fühlbare Auffüllung nach der letzten Inflation
wieder gestärkt, in bescheidenem Maße in der Lage, mildtätig für die Familie zu wirken.
Die eigentliche und entscheidende Bedeutung Andreas Gottliebs für die Familie liegt
aber darin, daß er durch die seiner Familie gegebenen sittlichen Maßstäbe für die
Lebensführung, insbesondere für die Auswahl der Frauen, die Erziehung der Jugend
und die Verantwortung gegenüber dem Wohl der Familie und des Landes bis in unsere
Zeit hinein prägend auf die ihm folgenden Generationen der Familie gewirkt hat. So ist
er mit Recht der "Große Ahnherr" der Familie geworden, dessen Geist insbesondere in
Gartow noch heute lebendig ist.
11. Barthold Hartwig. 1654-1708.
Andreas Gottliebs jüngster Bruder war Barthold Hartwig. Er war 5 Jahre jünger als
Andreas Gottlieb und am 29. September 1654 in Ratzeburg geboren. Von ihm ist die
gedruckte Leichenpredigt vorhanden, die seine Ahnenreihe 5 Generationen weit
zurück enthält. Durch diese Ahnenreihe ist die Stammfolge im Mannesstamm unserer
Familie über den Ratzeburger Domherrn Andreas (Nr. 9), Joachim d.Ä. (Nr. 8),
Andreas (Nr. 7) und Joachim (Nr. 6) bis zu Jürgen (Nr. 5) hinauf gesichert, worüber es
sonst kaum genügende Zeugnisse gibt.