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überaus weitschweifigen und überschwenglichen Freiherren-Diplom des Kaisers v.
8.10.1715 zu größerem Ruhm von Andreas Gottliebs Familie an diese ausge-
storbene bayrisch-österreichische Familie angeknüpft und gesagt, daß „unser und des
Reichs lieber getreuer Andreas Gottlieb v. Bernstorff, von uralt adelich und
stiftsmäßigem Stamm entsprossen und solches Geschlecht derer von Bernstorff von
undenklichen Jahren und von vielen Saekulis her erstlich in unseren österreichischen
und teils in bayrischen (Ländern) mit ansehnlichen Gütern und Herrschaften seßhaft
und jedesmalen mit tapferen und sehr geschicklichen Leuten gezieret gewesen,
welche die ansehnlichste adeliche Bedienungen und Ämter ... löblich und mit Ruhme
vertreten, und dann von ihnen einige mit Herzog Heinrich dem Stolzen und Herzog
Heinrich dem Löwen, damaligen Herzogen zu Bayern und Sachsen, ... hinab aus
Österreich in Niedersachsen gezogen und sich im Lande Mecklenburg nieder-
gelassen haben, von welcher Zeit an sie ihren Stamm daselbst bis auf diesen
Andreas Gottlieb von Bernstorff und andere seine Vettern fortgepflanzet und als ein
der vornehmlichsten Geschlechter solches Landes in großem Ansehen und Ruhm
stehen, dahingegen ihre in Österreich zurückgebliebenen Vettern im vorigen Saeculo
ausgestorben sind." Nachdem in der Urkunde die Erhebung Andreas Gottliebs und
seines Schwiegersohnes Joachim Engelke sowie seiner Leibeserben "in den Stand,
Ehre und Würde der Reichsedlen Pannern Freyherren und Freyinnen" ausge-
sprochen worden ist, wird ihrem Wappen "das von dem österreichischen
Bernstorffischen Geschlecht" geführte Wappen beigefügt, nämlich in dem oberen
rechten (heraldisch linken) Feld zwei halbe Räder und in dem unteren linken (rechten)
Feld die Jungfrau.
Wenn man nach diesem Diplom zunächst geneigt ist, anzunehmen, daß damals die
Abstammung unserer Familie von den ausgestorbenen österreichisch- bayrischen
Pernstorffs bekannt und anerkannt war, so steht dem doch entgegen, daß Andreas
Gottlieb in seinen eigenen Aufzeichnungen, die vom 4.4.1723, also 7 1/2 Jahre nach
dem Freiherrendiplom, datiert sind, über die Herkunft der Familie nur schreibt, daß sie
nicht wendischen, sondern deutschen Ursprungs sei und mit den fränkischen oder
sächsischen Kaisern oder mit den sächsischen Herzögen, insbesondere mit Heinrich
dem Löwen, ins Land gekommen sein müsse. Daher habe die Familie (was nicht
unbedingt überzeugt) ihren Namen auch nicht vom mecklenburgischen Stammhause,
sondern umgekehrt dieses den Namen vom ersten Besitzer unseres Namens
erhalten. Wir haben nach seiner Ansicht den Namen also schon mitgebracht. Über
die weitere Herkunft sagt Andreas Gottlieb aber nichts, obwohl er das wohl sicherlich
getan hätte, wenn er die überschwenglichen Ausführungen des Freiherrendiploms
ernst genommen hätte.
Eindrucksvoller ist es schon, wenn Andreas Gottliebs um 3 Jahre älterer Vetter
Andreas in Bernstorf, der mit ihm in enger verwandtschaftlicher Verbindung stand, im
zweiten Teil seiner Chronik, 1692 geschrieben, bemerkt, daß sein Vater, also Joachim
d.J., zu sagen pflegte, unsere Familie stamme aus Böhmen. Aber, fügt Andreas
hinzu, es habe sich, wenn „curieuse“ (also neugierige) Verwandte, die noch am Leben
seien, sich in Böhmen danach erkundigt und "die Landtafeln, wie sie es dort nennen,
aufschlagen lassen", nichts von einem solchen Geschlecht finden lassen. Ihm sei
jedoch glaubhaft berichtet worden, daß in Mähren ein solches Geschlecht vorhanden
sei, und in Österreich solle ein Geschlecht unseres Namens im vergangenen
Jahrhundert ausgestorben sein.