Seite 67
Joachim Bechtold ging nun weiter, indem er von den gegenwärtigen Besitzern die
Herausgabe der aus dem Nachlaß des Reichskammergerichtsassessors stammenden
Odenwald-Güter oder angemessene Entschädigung forderte. Nachdem gütliche
Verhandlungen erfolglos geblieben waren, klagte er; bei welchem Gericht, läßt sich
nicht mehr feststellen. Es geht jedoch aus den Akten hervor, daß unter dem
14.10.1782 ein die Klage abweisendes Urteil ergangen ist. Die Sache ging aber weiter,
und zwar an den Reichtshofrat in Wien mit der damals üblichen Weitschweifigkeit und
Langsamkeit. Es liegt in Echzell die Klagebeantwortung vom 25.4.1785 mit einem
Umfang von 162 (!) Paragraphen vor. Die Sache heißt: "von Bernstorff gegen den
regierenden Fürsten zu Löwenstein-Wertheim, den Herrn Grafen von
Erbach-Schönberg, den Freiherrn von Hoheneck und des weiland kaiserlichen
Generalfeldmarschall-Leutnants v. Pretlack hinterlassene Minorennen”. Die Pretlacks
hatten also einen Teil des Odenwälder Grundbesitzes weiter veräußert. Die gleichfalls
vorliegende Erwiderung des Bernstorffschen Anwalts vom 13.2.1786 umfaßt gleichfalls
162 Paragraphen. Die beiden Anwälte gehen mit dem schwersten Geschütz gegen
den Gegner vor. Besonders der Pretlacksche Anwalt entwirft in den glühendsten
Farben ein Bild von der Gemeinheit des Gegners, der es unternehme, den armen
Pratlackschen Waisen ihr rechtmäßiges seit 70 Jahren innegehabtes Besitztum zu
entreißen. Die Geisteskräfte und den Charakter des Kammergerichts-Assessors
schildert er vernichtend. Aber auch der Bernstorffsche Anwalt läßt sich nicht lumpen.
Nach ihm hat der General v. Pretlack bei seiner Heirat mit Christiane Margarethe von
vornherein nichts anderes im Auge gehabt, als wie er unter Ausnutzung des
Leichtsinns seines Schwagers die Odenwälder Güter an sich bringen könne.
Darüber, was schließlich aus dem Prozeß beim Reichshofrat geworden ist, ergeben die
erhaltenen Akten nichts. Es ist auch nicht ersichtlich, wer eigentlich jetzt Kläger war.
Denn Hans Joachim war 1782 schon gestorben. Joachim Bechtold wird in den beiden
großen Schriftsätzen nicht mehr als Kläger genannt, und auch Sophie v. Schardt wird
nicht mehr erwähnt. Vielleicht ist der Prozeß eingeschlafen.
Es bleibt aber ein Rätsel, wie Joachim Bechtold, der selber vor Hans Joachim als
Agnat berufen war, den Prozeß für Hans Joachim führen konnte. Vielleicht war der
Grund der, daß Hans Joachim ein Urenkel Joachims d.J. war, während die an sich
vorgehenden anderen Agnaten Ururenkel, also einen Grad weiter entfernt waren.
Vielleicht hatten auch die anderen Agnaten einschließlich Joachim Bechtolds selber
verzichtet, weil sie eigenen ausreichenden Grundbesitz hatten, Hans Joachim dagegen
besitzlos war. Wie dem auch sei, bleibt alles sehr rätselhaft.
Aber es ist immerhin für die Familie interessant, daß es bei anderem Verlauf der
geschichtlichen Entwicklung jetzt vielleicht eine im Odenwald grundbesitzende Linie
unserer Familie geben würde.