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Nach Weimar folgte auch Johann Hartwig Ernsts Witwe Charitas Emilie der Kusine.
Die beiden, die miteinander befreundet waren, lebten hier, wo Charitas Emilie ein
glänzendes Haus unterhielt, zusammen und sind auch zusammen in Weimar auf dem
sogen. historischen Friedhof beerdigt. Auf ihrer Grabstätte befindet sich die heutige
Gedenkstätte für Charlotte v. Stein. Sophie starb 1819 ohne Hinterlassung von
Kindern. Alle drei Kinder, die sie geboren hatte, waren bald nach der Geburt
gestorben.
20. Hans Joachim Karl. 1754-1782.
Des Justizkanzleidirektors Andreas Sohn H a n s Joachim Karl ist wohl der
eigenartigste Sproß unserer Familie. Er ist am 3.8.1754 in Hannover geboren, war also
beim Tode des Vaters erst 3, beim Tode der Mutter 9 Jahre alt. Was Andreas Gottlieb
d. J. schon beim Tode des Vaters geschrieben hatte, daß Gott und die Verwandtschaft
für die Kinder sorgen werde, trat beim Tod der Mutter 1763 ein. Der neunjährige Hans
kam zur Erziehung in das Haus seines sehr viel älteren Vetters, des Ministers Johann
Hartwig Ernst und seiner Frau Charitas Emilie v. Buchwald nach Kopenhagen, wohin
ihm einige Jahre später auch seine Schwester Sophie folgte.
Bei Aage Friis, "Die Bernstorffs und Dänemark" Bd. 11, heißt es auf S. 271/272 über
Hans: "Als Hans Bernstorff im Spätsommer 1763 an Bord eines Schiffes in den
Kopenhagener Hafen einfuhr, machten ihn seine Mitreisenden auf das mächtige Palais
aufmerksam, das seinem älteren Vetter gehörte. Dort sollte er wohnen. Andreas Peter
fuhr ihm entgegen und brachte ihn nach Bernstorff, wo Johann Hartwig Ernst ihn in
seine Arme schloß, ihn seinen Sohn nannte und ihm versprach, sein Möglichstes für
ihn zu tun. Das Versprechen wurde gehalten. Die Bernstorffs nahmen sich des Knaben
mit der größten Sorgfalt an; dieser war während seines Aufenthalts in Kopenhagen
immer fleißig und höflich, brachte es aber später im Leben zu nichts Besonderes. Am
12. November 1768 schrieb Andreas Peter, als er seinen Onkel während dessen
Abwesenheit über das Verhalten ihres Mündels unterrichtete: "Du wirst unseren jungen
Freund etwa wiederfinden, wie Du ihn verlassen hast, ernst, blaß, vernünftig, gebildet
und fleissig. Er ist etwas unbeholfen, aber er verspricht, ein nützlicher und tätiger
Mensch zu werden." Ob Hans Bernstorff das wurde, ist zweifelhaft, aber die
Bernstorffs taten ihr bestes, ihn auf das Leben vorzubereiten.
Gleich nach der Ankunft wurde er Charitas Emilie überlassen, die sich aber darauf
beschränkte, mit ihm Beaumonts moralische Erzählungen auf französisch zu lesen; der
Rest des Tages ging mit Vergnügungen hin. Für Hans vergingen die ersten drei
Monate seines Aufenthalts in rosigem Glanz: "Ich brachte sie in einer Art Berauschung
mitten in der glänzenden Gesellschaft zu, die sich bei dem Minister versammelte, von
allen, die ins Haus kamen, verwöhnt und verzogen." Dann bekam er einen Hauslehrer,
war mit ihm in der Stadt einquartiert, wurde aber, wie es bei jungen Adligen damals oft
der Brauch war, als Tischpensionär bei einem besonders hervorragenden Mentor
untergebracht, der dem Jüngling während der Mittagsmahlzeiten nützliche Anleitungen
geben und sich seiner überhaupt annehmen sollte. Hierzu wählten die Bernstorffs den
Professor Jens Schielderup Sneedorff, den