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Auf einem Zettel aus dem Jahre 1778 schreibt Hans, noch in Wetzlar, an Sprickmann:
"Da Sie mir den gestrigen Tanz so gut gesezt haben, so bin ich so frei, Ihnen
zuzumuthen, mir auch noch folgenden Einfall von einem Tanz ins Reine zu bringen. v.
Bernstorff." Auf einem anderen Zettel vom September 1778 fragt er Sprickmann, ob er
mit ihm und Plitt (dem Freunde Kestners) nach Friedberg fahren wolle; von dort aus
wollten sie nach Frankfurt fahren, über Nacht bleiben und dort (Goethes Schwager)
Schlosser sehen; am folgenden Tage wollten sie zurückkehren.
In einem undatierten Brief aus demselben Jahr schreibt er unter dem Pseudonym
Willefrank aus Regensburg an Sprickmann, der eine Professur in Münster erhalten
hatte, er habe sich jetzt ganz der Malerei zugewandt, und schwärmt von seiner neuen
Kunst in einer überschwenglichen Weise, die ihn als maßlosen Phantasten ohne jede
Selbstkritik erscheinen läßt. Er schreibt: "... etliche Tage nach Ihrer Abreise, lieber
Freund! ergriff michs stärker als ich war und seitdem - male ich! Heil, heil mir! In den
Worten liegt ein Paradies. Doch stille, damit ich Ihnen kurz und trocken sage, was ich
sagen wollte. Eine Kunst, wie diese läßt dem Menschen keine Faser für etwas anderes
übrig. ... Ich ... bin nur äußerlich, was ich scheine und keiner ahndet nur, was ich seyn
werde.
Um den Gipfel der Kunst zu ersteigen, muß ich nothwendig Italien durchreisen und
dies wird also geschehen unter einem fremden Namen zur Erhaltung der völligen
lndependenz, ohne die der Künstler außer seinem Element ist. Was für ein
scharmantes Projekt und was für interessante Briefe, die Sie dann von Ihrem
Willefrank erhalten werden!
Meine Kunst werde ich durch ein großes Werk signalisieren: Die Schule der Liebe,
davon ich Ihnen eine Idee geben muß. Ovids Werk wird ungefähr dagegen sein, was
Gellerts schwedische Gräfinn gegen Grandison. Es wird ein Quarto-Werk von etwa
100 Kupfern und eben so viel dazu gehörigen Aufsätzen. Das ganze Werk wird eine
einzige Göttin darstellen, aber in einer solchen Mannichfaltigkeit und Pracht, daß sie
jedesmal neu erscheinen wird. Oft wird ein ganzer Aufsatz nur beschreiben, wie sie
ihren Pantoffel anzieht. Aber die Gewalt der Darstellung muß alles interessant machen.
Die Gemälde werden eben von mir seyn (von irgend einem großen Meister gestochen)
und schon eine eigne Gallerie ausmachen. Da ich aus allem Schönen des Alterthums
die Quintessenz ziehen kann und ein und das nehmliche Ideal wohl tausendmal malen
werde, ehe es ganz da seyn wird; so können Sie Sich vorstellen, wie hoch sich dies
treiben läßt und wie diese neue Venus über allen Begriff schön werden muß. Hier
haben Sie meine Schicksale und Projekte und den Faden meiner künftigen
Begebenheiten. Alles wird Ihnen unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit
mitgetheilt. Willefrank.
Apropos! ich habe hier Subskription auf Nathan angenommen. Der Fürst, seine
Prinzessinnen, sein treuer Berberich u. viele Gesandschaften haben subskribirt. Nun
lasse ichs durch Frey unter der zweiten Classe ruliren.
Besozzi ist hier gewesen und hat im fürstlichen Conzert gespielt. Wie oft habe ich
dabei an den Sprickmann gedacht. Er ist ein wahrer Wundermann; hat dabei viel
Sonderbares. Er ist z.E. ein horribler Schachspieler, nächst Philidor vielleicht der
stärkste. Dies Spiel ist hier Mode geworden, wozu ich die unschuldige Veranlassung
bin. Wären mehrere Personen, die sich mit mir zu spielen getrauten, so würde es
einen Theil meiner Revenüe machen, denn man spielt um Geld. Es geschehen
zugleich ansehnliche Wetten auf und gegen mich. Das divertirt mich dabei am meisten.
Meine Adresse bleibt."