Seite 87
(Anmerkung: Mit dem Fürsten ist in Regensburg jedenfalls Fürst Thurn u. Taxis
gemeint. Lessings "Nathan" erschien 1779. Die Gesandtschaften sind offenbar
diejenigen deutschen und außerdeutschen, die beim Reichstag des Hl. Römischen
Reiches akkreditiert waren).
Ende Dezember 1778 oder Anfang Januar 1779 schreibt er aus Regensburg an
Sprickmann:
„Freund Sprickmann
Hier haben Sie einen zweiten Brief und also recht viel zu beantworten. Sie bekommen
wieder eigne Lobeserhebungen, denn in meinen Augenblicken der Schwäche und
gegen Freunde, denen ich sie nicht verbergen darf, futtre ich meinen Ehrgeiz so und
sammle damit neue Kräfte.
ich bin nun ein Geweihter der Kunst. Das erste erhabene Produkt meiner
Maler-Phantasie ist da! Es ist - ein Weib, das sich vor dem Spiegel eine Sultane
steckt. Die Stellung ist folgende: Sie bükt sich nach dem Spiegel hin, das Gewand
fliegt (denn sie kommt an den Spiegel gelaufen, um mit der Sultane ihren königlichen
Puz zu vollenden) der Blik in den Spiegel ist starrend von Begierde ihren Puz
vollkommen schön zu finden. Der rechte Arm ist hoch erhaben, um die Sultane zu
steken. Der linke greift, mit der schönsten Biegung nach einer Nadel auf dem
Nachttisch. Sie werden mir zugeben, daß es schwer ist, in eine gebükte Stellung
Erhabenheit zu bringen, und doch ist sie da, besonders im rechten Arm, in der Stellung
der Füße und im Flug des Gewandes.
Mit sechs langen Zügen der Kohle stand sie da, die Sie noch aus der vollendeten
Zeichnung herauslesen können. Einer für das Profil des Kopfs und der vollen, ganz
ofnen, Brust, einer für das fliegende Gewand, einer für die gehobne Rechte. Und Noch
etwas, das neu und gewagt ist; das Gewand ist über den Armen bis an die Schulter
hinaus aufgekrempt. Das kann ins Plebeje fallen.
Es kann seyn, daß ich es stechen lasse pour la rareté du fait, weil es mein Erstes ist
und nur ein Duzend Exemplare für Freunde. Da bekommen Sie eins.
Das war eine Arbeit, in zwei Monaten die Schwierigkeiten der Kunst zu überwältigen,
hauptsächlich der Zeichnung, aber sie sind erwältigt und ich bin nun Herr über meine
Hand und schaffe nach Lust. Da hab ich gerungen, Nachts vom Lager, mit drei, vier
Lichtern und beständig die Weinflasche, um den ermattenden Geist gespannt zu
halten. Endlich erfolgte ein zehnstündiger Todesschlaf, ich erwachte und war - ein
Mahler.
Willefrank.
Denken Sie! Ihr Freund Schlik ist mehrere Tage hier gewesen, hat dreimal öffentlich zu
aller Entzücken gespielt und, o wie viel schöner noch morgens allein, wenn ich bei ihm
war, denn er hat gerade auf ihrem Zimmer logirt und ich war viel bei ihm. "
Der folgende Brief vom Februar 1779 aus Regensburg bestätigt Sprickmanns Antwort:
"Es lebe Herkules!
So grüsset Sie Ihr B. sonst auch Willefrank, item Joh.Pet.Kraft genannt. Ihr Brief hat
meine Hände berührt und ich weis Ihre Theilnehmung nicht besser zu erwidern als daß
ich Ihnen von der neuen Würde eines Mahlers erzähle, deren die höchste Kraft,
Vollkomenheit und Schönheit (die uns in dem dreifachen Bilde des Herkules Apolls
und Venus dargestellt ist) mich ihren Knecht theilhaftig hät werden lasse. Zwar soll
man sich der hohen Offenbarung nicht rühmen: allein ich will vielmehr nur das Lob der
höchsten Vollkommenheit erzählen.