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Wie glücklich macht mich das Anschauen dieses großen Mannes, dessen ich täglich
genieße! Abend spiele ich zuweilen Billard mit ihm und Mittags size ich oft an seiner
Tafel, es geht mir mit ihm, wie den Frommen mit dem lieben Gott. Ich begehre nichts
als seine Gnade. Schon der Gedanke, sie zu besizen, macht mich glüklich.
Fünf Orte liegen auf der Karte, an deren einem ich mich zu fixieren wünschte, London,
Paris, Wien, Venedig und Neapel. In Wien mag ich nur seyn, so lange Kauniz lebt.
Blos die gewisse Hoffnung, diesen Gedanken zu realisieren, fehlt mir an meiner
Glückseeligkeit, denn übrigens ist mein Leben in der That paradiesisch und ich wüßte
nicht, daß mir nur eine Gattung von Genüssen fehlte.
So stehen die Sachen, lieber Freund! und ich rekommandire Ihnen nur meine
Subskription. Ihr Exemplar ist frei und ich will für einen recht frischen Abdruck sorgen.
Leben Sie wohl. Die Liste ihrer Subskribenten addressiren Sie nur an mich in der
Kärnthner-Straße im Bürger-Spital im ersten Stock.
Stephanie hat mir gesagt, daß wir Ihren Schmuk hier bald sehen werden, freilich durch
die Hände der Censur verstümmelt. Das hiesige Publikum goutirt das Starke."
Damit endet, was wir über Hans wissen. Ab 1779 lebte er in Celle. Aber sonst ist nichts
über ihn bekannt. Bis vor kurzem glaubte man, daß er erst 1802 gestorben sei, und
zwar in Paris. Diese Annahme ließ es erstaunlich erscheinen, daß man nichts weiter
über sein künstlerisches Wirken gehört hat. Nun findet sich aber in dem 1961 unter
dem Titel "Ich war wohl klug, daß ich Dich fand" herausgegebenen Briefwechsel
zwischen Heinrich Christian Boie und Luise Mejer von 1777-1785 (Biederstein-Verlag)
ein Brief von Luise Mejer aus Hannover an Boie vom 6.8.1782, in dem sie schreibt:
"Der junge Bernstorff, Bruder der Frau v. Schardt in Weimar, ist kürzlich in Frankfurt
gestorben."
Dadurch ist bewiesen, daß die bisherige Annahme, Hans sei 1802 in Paris gestorben,
die auch einer biographischen Notiz in der Autographensammlung der
Universitätsbibliothek Münster und einem Schriftwechsel des Stadtarchivs in Celle aus
dem Jahre 1966 zugrunde liegt, nicht stimmt, sondern daß Hans bereits mit 27 Jahren
gestorben ist.
Dadurch ist auch erklärlich, daß er als Künstler nicht weiter hervorgetreten ist. Zwar
hätte er von 1779 - 1782 noch 3 Jahre Zeit gehabt. Wir wissen aber nicht. ob Krankheit
oder andere Gründe seiner künstlerischen Entwicklung entgegen gestanden haben.
Vielleicht hat auch die Kraft seiner Persönlichkeit mit dem unbestreitbar großen
künstlerischen Schwung und dem Höhenflug seiner Gefühle nicht Schritt gehalten,
vielleicht war die Phantasie größer als die Gestaltungskraft. Wir wissen es nicht. So ist
Hans Bernstorff alias Willefrank als Künstler unbekannt geblieben.
Für uns als Familie ist es bedauerlich, daß nicht wenigstens das eine oder andere
Zeugnis seines weiteren literarischen oder malerischen Schaffens oder gar ein Bild von
ihm selber erhalten geblieben ist. Vielleicht läßt ein glücklicher Zufall eines Tages noch
ein Zeugnis seines künstlerischen Schaffens auftauchen.